Sprachen am Rand (Teil 3): Dänisch

Danewerk Museum bei Schleswig © Helge Krempin

Danewerk Museum bei Schleswig
© Helge Krempin

Deutsch ist nicht die einzige Muttersprache, die in Deutschland ihren Ursprung hat. Dazu kommen Sprachen von Bevölkerungsgruppen, die stark in der Minderheit sind, aber weiterhin gesprochen werden. Sprachennetz.org stellt einige dieser „Sprachen am Rand“ vor. Der dritte Teil handelt vom Dänischen.

Würden die „deutschen Dänen“ geballt am gleichen Ort leben, würden sie mit knapp 100.000 Einwohnern eine eigene Großstadt bilden. Laut einer Studie der Universität Hamburg von 2015 leben 42.000 von ihnen in ihrem Stammland, dem schleswig-holsteinischen Landesteil Schleswig, dazu kommen 37.000 aus dem Landesteil Holstein und 25.000 aus Hamburg.
Die meisten leben also im Gebiet des ehemaligen Herzogtums Schleswig, das sich einst bis weit ins längst dänische Südjütland hinein ausdehnte.
Kurios: Es darf keine offizielle Zählung geben, denn die selbst ernannten „danske sydslesvigere“ (auf Deutsch: „dänischen Südschleswiger“) bilden eine ethnische, nationale und sprachliche Minderheit und dürfen als solche aus Diskriminierungsgründen nicht erfasst werden. Die Universität hatte für ihre Studie eine telefonische Umfrage gemacht und dann hochgerechnet.

Minderheitenschutz und politische Mitbestimmung

Wie Friesen, Sorben und Roma stehen dänische Südschleswiger in Deutschland unter besonderem Minderheitenschutz. Deutschland ratifizierte 1997 ein entsprechendes Rahmenübereinkommen des Europarates, das diesen Schutz gewährleisten soll. Schon 1955 in den Bonn-Kopenhagener Erklärungen ging die Bundesrepublik die Verpflichtung ein, die dänische Minderheit zu schützen.
Politischen Einfluss in Schleswig-Holsteins Landtag ist den Südschleswigern garantiert: Die Fünf-Prozent-Hürde wurde 1955 für ihre Partei, den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) (dänisch: Sydslesvigsk Vælgerforening) aufgehoben. Seit 2012 ist der SSW erstmals Teil der Landesregierung, bildete mit SPD und Grünen die ”Dänen-Ampel” und übernahm ein Ministeramt.
Auch Simon Faber, der Oberbürgermeister von Flensburg (bzw. Flensborg), ist vom SSW und – wie ein Viertel der Einwohner in seiner Stadt – ein Südschleswiger.

Unterricht in dänischer Sprache

Garantierte staatliche Zuschüsse gibt es für dänischsprachige Schulen, die sich insbesondere der Pflege der religiösen, kulturellen und fachlichen Beziehungen zu Dänemark und dem Erhalt der dänischen Sprache widmen. Jørgen Kühl ist Direktor der A.P. Møller-Skolen in der Stadt Schleswig. Hier lernen Gymnasiasten und Gemeinschaftsschüler alle Fächer auf Dänisch – bis auf Deutsch und die Fremdsprachen.
„Die dänische Minderheit hat ein separates Schulwesen in privater Trägerschaft des dänischen Schulvereins“, erzählt Kühl. „Dazu gehören aktuell 46 Schulen und 57 Kitas, die alle im Landesteil Schleswig liegen.“ Neben der A.P. Møller-Skolen bietet auch die Duborg-Skolen in Flensburg die Chance zum Abitur. Von den schulpflichtigen Kindern in Flensburg besuchen laut Kühl um die 15 Prozent eine dänische Schule, die anderen lernen in deutschsprachigen Einrichtungen. Im ganzen Bundesland gehen knapp zwei Prozent auf dänische Schulen.
„Die dänischsprachigen Schulen haben etwa 5.700 Schüler“, so Kühl weiter. Davon sind etwa ein Drittel aus deutschen Haushalten, die sich mit der dänischen Minderheit identifizieren. Die Schulen pflegen einen regen Austausch mit dänischen Partnerschulen. Ihre Lehrerschaft hat in der Regel in Dänemark auf Lehramt studiert und kommt aus Dänemark oder Südschleswig. Der nördliche Teil gehört auch heute noch zu Dänemark, wo übrigens auch eine deutschsprachige Minderheit zu Hause ist.
Der dänische Schulverein finanziert seine Bildungsangebote nur im angestammten Landesteil Schleswig. Südlich der Eider, also in Holstein und Hamburg, gibt es keine dänischsprachigen oder bilingualen deutsch-dänischen Bildungsstätten.

Sydslesvigsk Forening

Um Erbe und Pflege von Sprache und Kultur der nationalen Minderheit kümmert sich auch der Sydslesvigsk Forening (der Südschleswigsche Verein), abgekürzt SSF, mit Sitz in Flensburg. Der Verein veranstaltet dänischsprachige Theaterabende, Ausstellungen und Konzerte.
Der SSF ist eng verbunden mit zahlreichen Ortsvereinen aus dem Landesteil Schleswig, die ebenfalls südschleswiger Traditionen pflegen. Anfang Juni feiert die Minderheit stets ein großes Jahresfest mit zahlreichen Kulturveranstaltungen. Wer in die Region reist, kann sich auch im Danewerk Museum bei Schleswig über die Geschichte der Südschleswiger schlau machen.

Historische Eckdaten

Ein Aufstand der Schleswig-Holsteiner im Jahre 1848 gegen Dänemark führte schließlich 1864 zum kurzen Krieg zwischen Dänemark und Preußen (unterstützt von Österreich). Von 1864 bis 1920 war das Herzogtum Schleswig preußisch. Als Folge des Ersten Weltkrieges fiel der nördliche Teil Schleswigs 1920 nach einer Volksabstimmung an Dänemark. Die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein und die deutsche Minderheit in Dänemark entstanden also durch diese Teilung Schleswigs vor 96 Jahren.
Jørgen Kühl, der sich auch als Autor von Büchern über die  Geschichte und Kultur der Südschleswiger einen Namen machte, hat sowohl die deutsche als auch die dänische Staatsangehörigkeit. Seine Mutter war dänische Pastorin in Flensburg. ”Einige Tausend Menschen haben vermutlich eine solche doppelte Staatsbürgerschaft, offizielle Zahlen gibt es dazu nicht”, erzählt er. ”Das geht in Deutschland aber nur, wenn ein Elternteil eine dänische Staatsangehörigkeit besitzt.”

Sprachspezialität: Südschleswigsch

Jørgen Kühl weiß um sprachliche Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Südschleswigern und dänischen Dänen von heute: ”Die dänische Minderheit in Deutschland spricht die gleiche Standardsprache wie in Dänemark. Diese wird auch im Unterricht gelehrt”, so der Pädagoge. Es gibt zudem einen niederdänischen Dialekt bei einigen Südschleswigern nahe der deutsch-dänischen Grenze. Allerdings sei die Umgangssprache in Familien und mit Angehörigen in über 90 Prozent Deutsch.
”Die mündliche Sprache der dänischen Minderheit ist von deutscher Syntax und Grammatik beeinflusst”, weiß Kühl. ”Die Sprecher selbst nennen es Südschleswigsch. Dabei wurden Begriffe aus dem Deutschen übernommen und ins Dänische übertragen, zum Beispiel wurde aus dem deutschen Wort ‘Sprachencharta’ bei den Südschleswigern ‘Sprogchartret’. Auf Dänisch heißt das ‘Sprogpagt’”.

Medien für deutsche Dänen

Über das regionale bis globale Geschehen können sich Deutschlands Dänen in der zweisprachigen deutsch-dänischen Tageszeitung Flensborg Avis informieren, die seit 1869 existiert. Der Radiosender RSH sendet täglich drei Minuten Nachrichten auf Dänisch und es gibt einen öffentlich-rechtlichen Regionalsender aus dem dänischen Nordschleswig, der auch den Landesteil Schleswig als Einzugsbereich hat.
Für deutsch-dänische Christen im Landesteil Schleswig gibt es die evangelisch-lutherische Dänische Kirche in Südschleswig („Dansk Kirke i Sydslesvig”). Sie ist mit der Dänischen Volkskirche verbunden, besteht aus 30 Gemeinden und hat rund 6.300 Mitglieder. Ihr Hauptgotteshaus ist die Flensburger Heiliggeistkirche (Helligåndskirke), wo seit 1588 auf Dänisch gepredigt wird.
Zu den Südschleswigern gesellen sich im nördlichsten Bundesland knapp 6.000 weitere dänische Staatsbürger. Die sogenannten „Reichsdänen“ haben keinen Minderheiten-Status, sondern sind ganz „normale“ EU-Bürger.